✍ Texte 'Urteil'✍
Schatten unter den Augen. Ich habe Augenringe. Schattengefahr. Beschattung. Verdunkelung der Seele und Kollusionsgefahr. Irgendwer wird verdächtigt irgendwas zu verdunkeln, sich zwischen das gute Recht und das ungute Beweismaterial zu schieben, es im Schatten verschwinden zu lassen. Mir ist das alles einerlei. Dagegen, dafür, gegengelesen wird alles und jedes. Werde ich für immer als deine Freundin verzeichnet bleiben? Sollte ich später im Leben einmal unrecht tun, wird die Staatsanwaltschaft dann in ihre Akten schauen und vielsagend die Augenbrauen heben? Ein Machtwort entschlüpft. Ein kleines Verfahrenswörtchen, ein Monatchen. Begründet oder nicht, Ohnmacht oder nicht – ich kann nicht mehr, denke ich. Sage aber nur: aha, und ja also, steht das schon fest? Als ob mir jemand eine Erklärung schuldig wäre. Jederzeit und nie ist alles möglich, sofort wird es geschehen, ohne ein weiteres Telefon. Deine Mutter benutzt Worte, die ich ihr nicht zurückgeben kann, weil ich sie nicht höre. Deine Mutter ist nicht gut beisammen. Zusammen sind wir schlecht beisammen. Ich fühle mich hunderttausend Jahre alt. Meine Augen hängen schwer im Gesicht. „Wenn dich sonst niemand abschleppt.“ Steht auf dem Nachtbus. Es ist Werbung. Welcher Tag war welcher Tag?
Wo soll ich beginnen? Wenn ich schon nicht weiss, wo ich aufhöre. Was soll ich sagen, und wozu, zu dir? Oder zu wem? Aus Langeweile haben wir gelernt uns selbst zu zeichnen, du dein Gesicht und ich meins. Breitest du dich aus in dem kleinen Umfeld, das dir geblieben ist? Denn ich, ja. Ich bin eruptiv, wie Lava fliesse ich zäh, in alle Richtungen. Wo es mir beliebt gründe ich mich neu. Auf mir werden Gras und später Büsche wachsen, neue Vogelarten werden mich besiedeln. Ich habe andere Verpflichtungen, ich bin wer ich bin, damit diese Vögel auf mir wohnen können. Du hast keine Wahl. Wenn du bei mir bleiben willst, musst du ein Vogel werden. Ich bemühe mich, nichts in Stein zu meisseln, solange du nicht aus deinem Stein entlassen bist. Ich bemühe mich, deine Mutter nicht schlecht zu behandeln. Aber manchmal ist mir danach. Diese Jahre an deiner Seite, dieser nun zwangsgerodeten Seite. Werde bemitleidet und getätschelt, dabei bräuchte die Mutter selbst getätschelt zu werden. Mittags: THC, Abends: Schmerzmittel, Nachts: Dubstep. Laut und dröhnend, bis sogar der freigeistigste Zimmernachbar anklopft und findet, ob ich nicht, vielleicht, bitte. Mein Heulen, wirkt animalisch neben der kalten Musik. Ein Winseln, ein Jammern, ein Chihuahua Hündchen, angeleint an einen massiven Betonpfeiler pinkelt vor Sehnsucht nach seinem Frauchen. Aber man nimmt, was da ist, nur dieser Beton ist da, also ziehen wir ihn hoch. Stacheldraht drauf und rein mit den Straftätigen.
Befürchtungen sind solange Befürchtungen bis sie sich bewahrheiten. Bewahrheitet sind sie, jetzt werde ich bewahrheitet. Von allen Seiten. Beteiligte und Betroffene werden aufgezählt: Diese Blonde, jener Dubiose, diese Gestalt und der Anwalt. Wo soll ich meine eigene Wahrheit hinterlegen? Keine objektive, keine schlaue Wahrheit, keine zurechnungsfähige, keine unvoreingenommene. Herr meines Vertrauens fragen Sie nicht, wie es geht, weil es geht nicht. Ich kenne mich nicht aus mit römischen Ziffern und leide an schwerer Dyskalkulie. Sonstige Hobbies: Kann kein Griechisch, kann keine Wochentage,kann kein Urteil fällen. Habe nur einmal einen Baum gefällt, einen mickrigen, nichts Grosses, nichts Gewaltiges. Eigentlich habe ich mich gar nicht recht beteiligt, zog nur an einem Seil und liess es dann vor Schreck los. Der mickrige Baum fiel in die richtige Richtung. Das Fällen des Baums hat sich später als unnötig erwiesen. Ich beginne mich zu fragen, ob ich wichtig bin für dich? Und wie wichtig? Ob ich Platz hätte
in einem hypothetischen Leben danach? Wir müssen mehr legal, mehr normal. Die Unterarme aus der Sucht herausziehen, wie aus einem Schleim, der einst unser Zuhause war. Alles schaut mir auf die Lippen. Alle merken auf – Welches Personalpronomen wird verwendet? Wir?Ich? Er? Man? Daraus lässt sich schliessen, die gute Frau steckt tief im Unsinn. sie möchte sich rausreden, sie windet sich in den Formulierungen. Peinlich, wo bleibt denn die Würde? Ich rede und rede…
Ich verweigere die Aussage. Schweige, bis Gaumen und Zunge zusammenkleben, die Mundhöhle fermentiert. Es ist besser so, denn aus jede Antwort werden mindestens zwei Fragen folgen. Unbeantwortete Fragen sind weniger belastend als nie enden wollende Fragen. Die Zeit wird sowieso vergeudet in den Gewinden der Gerechtigkeitsindustrie. Zerbröselt und Staub rieselt auf deine Oberfläche und ich ziehe und zwicke in meine Oberfläche. Lose, jung, alt, müde aber kein Staub!
Scheiben, da und dort, Schalter, Klappen. Sie werden überwacht, gute Frau. Wir wissen, es ist schwer. Scanner, Schlösser, Schleusen, Schliessfächer, Panzerglas, Scheisse. Das denke ich jeden Tag. Andere Gedanken wollen durchdringen, aber sie kommen nicht gegen die Scheisse an. Die Stadt stösst mich ab, als wäre sie gegen mich imprägniert. Bürozeiten klammern mich aus, Schalter schliessen, Schleusen schnappen und Telefonbeantworter leiern. Ich renne von Haus zu Haus. Überall wohne ich nicht. Nirgends in diesen Häusern. Wut perlt ab am Staatsapparat. Jemand, den ich nicht kenne, schreibt mir, dass er mich auch nicht kennt. Das er nicht ich ist. Beruhigen Sie sich, sagt der Pflichtverteidiger. Beruhigen wir uns, sagt die Mutter. Alles ist gleich geworden, alles ist egal, etwas Schmerz möchte man empfinden, aber auch der wird planiert. Die Frauen, nervös, angespannt, mager. Eilen, schleichen, hinken von Schalter zu Schalter. Wenn die Frauen, dann die Männer, dann ist es anders, sagt man – das will ich gar nicht wissen. Milchpulver ist nicht erlaubt, Föten sind nicht gestattet, Nüsse sind untersagt. Wir dürfen Ihnen dieses Bild nicht zeigen. Glauben Sie mir, Sie wollen es auch nicht sehen. Jawohl, unsere Schalteröffnungszeiten gelten auch für Sie. Richtig, der Monat des Geburtstags, ist der Monat des doppelten Gewichts. Für diesen Monat ist das Gewicht aber leider schon aufgebraucht.
Wie habe ich dazwischen geschrieben, zwischen diesen Zeiten, den Zeilen, die sind, wie sie geschrieben stehen? Unumstößlich ist die Lücke verschwunden in die ich mich gegossen habe. Der Inhalt enthält sich mir, ich begreife. Ich erhalte mich höchstens selbst dazu geschenkt. Bei jedem Deal ist noch ein Bisschen „Ich“ drin. Sonst würde ja niemand nichts eingehen. Aber die Zeit ist nicht zurück zu geben, nicht eintauschbar. Verschwinden heisst: Auswechseln gegen Nichtsheit oder Zahnfleischrückgang. Deine Mundhöhle ist älter geworden, aber der Rest nicht. Dass ich nicht bremsen kann, nicht Halt mache vor dir, wie soll ich dich dafür verantwortlich machen? Würde ich gern, sagst du. Dich in dein Mundhöhle locken, eklig! Vergiss es. Werde ich nicht. Will ich nicht. Weiss ich bereits. Ich kann nicht mehr ruhig liegen. Je mehr du schläfst, desto schneller scheint mir, ist mein Leben vorbei. Wir teilen alles und vor allem teilen wir uns gegenseitig vorsichtige Ausflüchte mit. Dass ich einsam bin, werde ich mir von dir nicht einreden lassen. Werde ich nicht. Will ich nicht. Weiss ich bereits. Dir haftet etwas Religiöses an, ein Schleim aus Geduld und Grabesstille. Tatsachen über Tatsachen stapeln sich in meinem Flur und ich weiss nicht, wohin damit. Ich bin so lieb. So gut. So lieb und gut. Die Tatsachen schaffe ich nicht weg. Von mir aus. Sollen sie doch alle sehen. Es ging uns schon schlechter, nicht wahr? Kontrolle versus Magie, Magie versus da, was du gelernt hast. Hast du es auch so gehasst?
Die Verbindung ist perforiert, schon lange vor diesem Abstand. Hier, reissen Sie an dieser Stelle. Kleine Einstiche im Material erleichtern die Trennung. Die Verbindung wurde unterbrochen, abgebrochen, eingestellt, Sendepause. Und nun? Dreiundzwanzig Stunden täglich reflektieren
die immer gleichen Wände das Denken. Und du? Richtest du dein Denken noch irgendwogegen
oder hast du dich für ein Leben im Kreis entschieden? Selber machen, selber können, eigene Sucht, eigene Blödheit. Und dann? Wenn wir dannn noch zusammen passen und der Körper sich anschmiegt, wenn alles noch zueinander strebt obwohl das Leben auseinander bricht. Meine Augen schwimmen oben auf der Sosse auf und schauen in ihren eigenen Himmel. Was ist dort? Was siehst du dort? Du siehst einen Ausschnitt des Daseins und dieser kleine Ausschnitt allein ändert Farbe und Gestalt. Die Tage vergehen langsam aber der Ausschnitt beeilt sich, schnell Veränderung, noch bevor jemand den Stillstand bemerkt. Ich beachte die Natur. Sie kann mir helfen, wenn sonst niemand mehr etwas tun kann. Sie tut. Sie wächst. Ich sage, schick mir die Entdeckungen als Pfand. Später dann, Opfergabe, später dann, Opfergabe! Wenn wir selbst keine Opfer mehr bringen müssen. Ich beachte die Natur. Sie macht, was sie will. Sie ist. Sie wirkt.
Es scheint auf,zwischen den Häuserzeilen. Es ist die Sucht nach Flucht. Distanz tut den Augen gut, erklärst du mir zwischen den Häuserzeilen. Aber wir sind hier, mehr als wir es je waren. Ich bin verblödet. Ich schichte Steine in Schachteln und stelle sie euch in den Weg. Es sind meine Schachteln! Wenn ihr sie noch einmal anfasst, bin ich am Ende meiner Kräfte. Du wirst nicht das haben, was du brauchst und was du hast, wird dir nicht dienen. Hans im Turm zu Well-Being. Die inneren Gewichte schwingen in entgegengesetzte Richtungen und Hans schwankt am Glück vorbei. Die ganz grossen Fragen kollabieren unter dem Gewicht unserer Paranoia. Ist nicht alles miteinander verhängt? Es scheint doch so als ob ich und Hans an einem Faden miteinander verknüpft seien. Lose, jung, alt, müde. Was passiert hier? Ich höre alles und bestimmt auch manchmal noch etwas mehr. Du sagst, das ist erst der Anfang. Du kannst zwar sagen, wovon die Sänger in deinen Ohren singen, vom Meer. Soweit ist es noch nicht, überhaupt ist es eher unmelodisch. Hämmern und plötzliche Stösse, Lärm und Schaben. Das höre ich. Woher, weiss ich nicht. Ich stehe ganz nahe an der dünnen Tür zum Treppenhaus. Ich spüre, wer sich darin bewegt. Es kommt noch viel schlimmer. Kurz vor Mitternacht begreife ich, dass alles Leben Kontrolle bedeutet.